Per Zufall bin ich auf diese Arbeit gestoßen, die mich an eine wissenschaftliche Untersuchung erinnert hat, die von Franz Dröge und Thomas Krämer-Badoni stammt, „Die Kneipe. Zur Soziologie einer Kulturform oder „Zwei Halbe auf mich!“ aus dem Jahr 1987.

Also habe ich mal ein bisschen „quer“ gelesen im „Kommunikationsraum Szenekneipe“.

Und wann wart Ihr zuletzt in einer Szenekneipe? Was ist das überhaupt, was kennzeichnet sie, welche Relevanz hat sie für eine gewisse Lebensspanne, welche Kommunikationsstrukturen findet man dort und welche Bedeutung hat sie als Ort der Selbstinszenierung und des Selbstmarketing?

Das sind nur einige Punkte, welche Anneli Starzinger in ihrer Studie berührt, die in erster Linie auf teilnehmender Beobachtung sowie Tiefeninterviews mit Betreibern, Personal und Gästen von Szenekneipen und Befragung mit standardisierten Fragebögen basierte. Durch eine Fragebogenaktion wurden jeweils 200 Personen in Essen und in Bonn aufgefordert, einmal aufzuzählen, welche Kneipen sie in ihrer Stadt als „Szenekneipen“ bezeichnen würden. Die beiden am häufigsten genannten wurden anschließend als Untersuchungseinheit ausgewählt.

Mich hat an der Studie u.a. der Stellenwert, den die Musik in der Kneipe hat, interessiert.

Musik als Medium, über das man sich einer bestimmten Kneipenszene zuordnet, spielt offenbar nicht mehr eine vorrangige Rolle.  Sie dient hier eher der Unterhaltung und Untermalung und wird dementsprechend als unpassend oder störend empfunden, wenn sie zu laut oder penetrant ist.

Die interviewten Kneipenbetreiber legten Wert darauf, die Musikauswahl völlig in die Hände des Personals zu legen. In beiden Kneipen war überhaupt kein eigener Bestand an CDs oder MCs vorhanden. Die diensthabenden Mitarbeiter brachten ihre Musik jeweils selber mit, und ihr Geschmack oder Interesse für Musik entschied dann über die gespielte Musik. Dabei konnte es auch vorkommen, dass ein Mitarbeiter gar keine Musik mitbrachte und dann dementsprechend Stille herrschte.  Häufiger war aber der Fall, dass etliche Mitarbeiter besondere Sorgfalt in die Auswahl der mitgebrachten Musik investierten und dafür auch bekannt waren.

Musikhören in der Kneipe hatte früher einen anderen und größeren Stellenwert als heute, da es für viele Jugendliche oft die einzige Möglichkeit war, die ein beengtes bzw. durch elterliche Musik bestimmtes Zuhause nicht bot. Mit dem Entstehen von Jugendzentren oder anderen Treffpunkten, die sich eher für gemeinsames Musikhören oder/und Tanzen eigneten, nahm die Bedeutung von Kneipen dafür eher ab.

Eine wichtigere Rolle spielt die Musik in den Szenekneipen, die – bevorzugt am Wochen-
ende – auch Tanz anbieten. Hier handelt es sich in der Regel um große Szenekneipen, die über entsprechende räumliche Möglichkeiten verfügen. Durch dieses zusätzliche Angebot verändert sich naturgemäß auch die Zusammensetzung des Publikums. Viele suchen am Wochenende gezielt Orte auf, an denen auch die Möglichkeit zum Tanz besteht. Diese Option wurde häufig als ein positives Kriterium einer Szenekneipe herausgehoben. Meistens handelte es sich bei den Gästen, die dieses Merkmal betonten, um Leute, die angaben, ungern eine normale Diskothek aufzusuchen. Ihnen war die Kombination von Szenekneipe und Tanzmöglichkeit offensichtlich wichtig.

Nicht selten bildet sich in den Szenekneipen, die Tanz anbieten, um die Tanzfläche herum ein Kreis  von  tanzwilligen Leuten,  die  auf „ihre“ Musik  warten.  Hier wird passende Musik zum ausschlaggebenden Kriterium für die Tanzbereitschaft.  Nicht selten bedauerten Gäste, daß die Musik so sei, daß sie ihnen den Spaß am Tanzen verderben würde. Auch wenn Sehen und Gesehenwerden,  Show  und  Selbstdarstellung  auf der Tanzfläche  sicherlich  eine  gesteigerte Rolle spielen, ist die Bedeutung der Musik dabei  als symbolischer Zuordnungsfaktor zu einer Tanzgemeinde nicht zu  unterschätzen.  Besonders vom „älteren“ Szenekneipenpublikum wurde oft beanstandet, daß die Technorhythmen der nachwachsenden Szenegeneration für  sie nicht ertragbar oder gar tanzbar seien.

Anneli Starzinger, Kommunikationsraum Szenekneipe. Annäherung an ein Produkt der Erlebnisgesellschaft. Dt. Univ.-Verlag, Wiesbaden, 2000