Beiträge zur Musik und mein Senf zu anderen Dingen

Schlagwort: Jazz Rock

Dzyan

Das Quintett Dzyan aus dem Raum Mannheim/Frankfurt am Main war „eines der dunkelsten Juwelen der Krautrock- Szene der frühen 70er und mischte kreativ Elemente aus Rock, improvisiertem Jazz, Elektronik und Ethnomusik aus Asien zu etwas ganz Besonderem“ (ALLMUSIC).

Der Bandname wurde aus dem ‚Buch des Dzyan‘ entnommen, einem fiktiven, angeblich sehr alten und geheimen indischen Schöpfungsbuch. Die Band wurde Ende 1971 von dem Multi-Instrumentalisten und Komponisten Reinhard Karwatky in Groß-Gerau, nahe Frankfurt/Main gegründet. Weitere Mitglieder waren Harry Krämer, Jochen Leuschner, Gerd Ehrmann und Ludwig Braum. In der Quintett-Besetzung begann die Gruppe Anfang 1972 zu proben und spielte nach nur zwei Monaten – ohne einen Auftritt – das selbstbetitelte Debüt ein, das auf dem kleinen deutschen Label ARONDA veröffentlicht wurde.

Ein „faszinierendes Album, das heute noch frisch klingt“ (COSMIC EGG). Dzyan spielten eine „leicht jazzige Form des Progressive Rock mit einem Hauch von Wolfgang Dauner, Teilen von Frank Zappas ‚Hot Rats‘ und einigen Saxophonelementen im Van Der Graaf Generator- Stil“ (KRAUTROCK MUSIKZIRKUS). Nach Abschluss der Aufnahmen und kurz vor der Veröffentlichung des Debüts verließen Krämer (Gitarrenstudium) und Braum (Sinfonie-Orchester Koblenz) die Gruppe.

Einen Monat später wurden Eddy Marron (g, voc, saz) (ex-Vita Nova) und Lothar Scharf (dr, ex-Volker Kriegel-Band) in die Besetzung aufgenommen, und die Band entwickelte sich in der zweiten Hälfte 1972 deutlich in Richtung Jazzrock. Nach dem Ausscheiden von Leuschner und Ehrmann im November 1972 und von Scharf († 2009) im Mai 1973 war Dzyan auf das Trio von Marron, Karwatky und Peter Giger (dr, perc) reduziert. Diese rein instrumentale Version von Dzyan veränderte ihren Sound vom ProgRock zum Jazz mit asiatischen Elementen.

Später im Jahr 1973 ging das Trio ins Dierks Studio und nahm das Album ‚Time Machine‘ auf, das von Peter Hauke produziert wurde und das im November 1973 auf dem Label BACILLUS erschien. Das Album bot „erstaunliche Evidenz von ausgeflippten Fusion-Jazz-Titeln, gemischt mit seltsamen Experimenten und viel Mystik“ (PROGARCHIVES). „Interessanter Jazz-Rock, der zeitweise mit folkloristischen Elementen versetzt war und der bisweilen ganz schön in Richtung Mahavishnu Orchestra schielte“ (JAZZ PODIUM). Diese „wirklich starke Jazzrockscheibe gehörte mit zum Besten, was in diesem Bereich in Deutschland in den 70ern produziert worden war. Dem Ganzen hing zudem eine gewisse krautige Rohheit und Holprigkeit an, die der Musik eine sehr eigene, sympathische Note verleihen konnte“ (BABYBLAUE SEITEN).

Anfang 1974 verließ Schlagzeuger Giger die Band für einige Monate, um als Session-Musiker für das Jazz-Label ECM zu arbeiten und um mit Eberhard Weber (ex-Wolfgang Dauner Group) auf Tour zu gehen. Während seiner Abwesenheit half Mark Hellmann (dr) vom Dave Pike Set 79 aus. Als Giger zur Band zurückkehrte, klang Dzyan wieder völlig anders, da Marron und Karwatky mit einer Vielzahl von akustischen Instrumenten experimentiert und sich tiefer mit ethnischer und experimenteller Musik befasst hatten. Das nächste Album des Trios, ‚Electric Silence‘ (1974), war erneut im Dierks Studio entstanden und vom ehemaligen Karlheinz Stockhausen-Techniker Toby Hrycek-Robinson produziert worden.

Die „wohl beste deutsche Band im Jazzrock-Bereich“ (JAZZ PODIUM) veröffentlichte damit „ihr Meisterwerk. Es verband mit Leidenschaft einen stilistischen Jazzrock mit wunderbaren fernöstlichen Elementen. Eine sehr angenehme Reise durch ‚Kraut‘ und ‚kosmische‘ Extravaganzen“ (PROGARCHIVES).

Auf jeden Fall war ‚Electric Silence‘ sicher „mit das Eigenartigste, aber auch Beeindruckendste und Eigenständigste, was im Grenzgebiet von Jazz und Rock in Deutschland produziert wurde“ (BABYBLAUE SEITEN).

Ende 1974, mit dem Weggang des letzten verbliebenen Ur-Mitglieds Reinhard Karwatky, brach auch diese letzte Dzyan-Besetzung auseinander. Damit war die Bandgeschichte beendet. „Ähnlich wie Embryo, Between, Agitation Free u.a. hatten Dzyan ihren eigenen Weg gefunden, Elemente der ethnischen Musik in die archetypischen Jazz- und Rockstile der 70er Jahre zu integrieren“ (COSMIC DREAMS). Marron und Giger gründeten mit dem Jazz-Bassisten Gunter Lenz (ex-Albert-Mangelsdorff-Quintet) das Trio Giger-Lenz-Marron, das „ein wenig wie eine jazzige und weniger experimentelle Ausgabe von Dzyan klang“ (ALLMUSIC). Von diesem Trio gab es zwei Alben, ‚Beyond‘ (1976) und ‚Where The Hammer Hangs‘ (1978). Zwischenzeitlich – im Sommer und Herbst 1974 – war Marron auch Mitglied bei Missus Beastly.

Kennt Ihr (noch) Patto?

Patto war eine 1970 in England gegründete progressive Jazz-Rock-Band, die von dem Sänger Mike Patto mit einer von Timebox übernommenen Besetzung bestehend aus dem Sänger Patto, dem Schlagzeuger John Halsey, dem Gitarristen und Vibraphonisten Ollie Halsall und dem Bassisten Clive Griffiths gegründet wurde.

Dies ist ein vergessener Klassiker des progressiven Jazz-Rocks von den großen britischen Jazz-Rockern Patto. Die Band entstand aus der Asche von Timebox und wurde nach dem wilden Mann des britischen Rock, dem verstorbenen Mike Patto, benannt (geboren als Michael Thomas McCarthy am 22. September 1942 in Cirencester, Gloucestershire; gestorben am 4. März 1979 an lymphatischer Leukämie). Patto hatte das Glück, bei Vertigo, dem Label vieler Progressive-Rock-Klassiker, unter Vertrag genommen zu werden, und ging mit Muff Winwood als Produzent ins Studio. Winwood hatte 1967 die Spencer Davis Group verlassen, um eine Stelle als A&R-Chef bei Chris Blackwells Island Records anzutreten.

Winwood beschloss, „Patto“ mit einem „Live-in-the-Studio“-Gefühl aufzunehmen. „Patto“ wurde im November 1970 veröffentlicht, und es ist ein brillantes Album. Das Album ist bemerkenswert, nicht nur wegen der außergewöhnlichen Gitarrenarbeit von Ollie Halsall, der sowohl auf der E-Gitarre als auch auf dem Vibraphon zu erstaunlichen, vom Jazz inspirierten Läufen und unvorstellbaren Verzerrungsspitzen fähig war, sondern auch wegen des gekonnten Umgangs der Band mit komplexen Taktarten und Jazzwechseln.

Mike Patto selbst war ein großartiger Sänger, der sowohl mit sanften Balladen als auch mit schreiendem Rock’n’Roll zurechtkam und auch den Mittelweg fand. Das Album wurde sowohl von der Musikpresse als auch von Musikerkollegen hoch gelobt. Aber dieses großartige Album war ein kommerzieller Misserfolg und verkaufte sich angeblich nur etwa 5.000 Mal. Das mag unglaublich klingen, war aber in den frühen siebziger Jahren nicht ungewöhnlich, da es so viele großartige Bands gab und die Konkurrenz groß war.

Präsentiert von TeBuS & Theme erstellt von Anders Norén