[..] ein schönes Buch nicht wiederlesen, weil man es schon gelesen hat, das ist, als ob man einen teuren Freund nicht wieder besuchen würde, weil man ihn schon kennt.
(aus: Marie von Ebner-Eschenbach – Lotti, die Uhrmacherin)

Ausschliessen möchte ich es nicht, aber mir fällt spontan leider kein Buch ein, das ich mehrmals gelesen habe. Höchstens einige Kapitel oder Seiten, die interessante Sachverhalte, Meinungen oder Lebensweisheiten beschreiben, kommen mir da in den Sinn. Jüngste Beispiele sind die Südtirol-Krimis von Lenz Koppelstätter mit seinem bodenständigen Commissario Grauner, Gustav Mahler-Fan und im Nebenberuf noch Bauer, der sich fragt, ob dies seine Bestimmung sei:

Diese Fragen hatten an ihm genagt, daran erinnerte er sich, im Sommer auf der Alm hatte er oft zum Himmel geschaut und den lieben Gott um Rat gefragt. Der antwortete nicht. Außer manchmal mit Gewittergrollen. Also fragte Grauner die Kühe nach dem Sinn des Lebens. Sie glotzten ihn nur stoisch an, manchmal muhten sie. Da verstand er. Er verstand, dass er die Welt nicht verstehen musste. Dass es reichte, wenn er sich darin zurechtfand, grob das Gute vom Bösen unterscheiden konnte und die ganz großen Fragen einfach unbeantwortet ließ. Mochten andere erforschen, was hinter allem steckte. Grauner beschloß für sich, dass er dieses Wissen nicht brauchte, um glücklich zu sein.


Mit „Lotti, die Uhrmacherin“ erreicht Marie von Ebner-Eschenbach 1880 ihren literarischen Durchbruch.

Die Erzählung entstand während die Autorin sich in Wien 1879 selbst zur Uhrmacherin ausbilden ließ.