Beiträge zur Musik und mein Senf zu anderen Dingen

Kategorie: Literatur Seite 6 von 7

Berührung

Liebe ist die Freude, ein liebenswertes und liebendes Wesen zu sehen, zu berühren, es mit allen Sinnen und so nahe wie möglich zu fühlen.
Stendhal


In Beziehungen kann die richtige Berührung zur rechten Zeit beeindruckende Wirkungen zeitigen: Freunden erscheint der Anstieg während einer Bergwanderung weniger steil, wenn sie einander dabei an der Hand halten. Paare tun ihrem Herz etwas Gutes und senken ihren Blutdruck, wenn sie sich bei der morgendlichen oder abendlichen Begrüßung kurz umarmen.

Ob Paare zusammenbleiben und eine erfüllte Beziehung führen, hängt schließlich auch davon ab, wie innig und nah sie sich fühlen und wie intensiv sie sich voneinander – im doppelten Sinne – berühren lassen.

aus: Werner Bartens, Wie Berührung hilft. Warum Frauen Wärmflaschen lieben und Männer mehr Tee trinken sollten, Knaur TB, 2014

Mit anschaulichen Beispielen zeigt Bartens, wie und wo zu wenig oder zu viel berührt wurde:  Scheinbar „wilde“ Kinder lassen sich durch Berührungen beruhigen oder eine Körpertherapeutin hilft bei der Heilung. Ein eigenes Kapitel widmet er dem Miteinander von Mann und Frau und den sich daraus ergebenden „Berührungspunkten“ wie etwa beim Sex. Und als Mediziner geht Bartens natürlich darauf ein, was genau die „Gerätemedizin“ verpasst, wenn sie nicht bei Berührungen als Diagnose beginnt. Als prominentes Beispiel beschreibt er, wie Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der [ehemalige] Mannschaftsarzt der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft, nur mit seinen Fingern in die Muskeln der Fußballspieler „taucht“, um eine Diagnose stellen zu können.

Weil „Heilung durch Berührung“ zu Unrecht immer noch unterschätzt wird, ist es in Deutschland immer noch unüblich, schreiende Kinder einfach auf den Arm zu nehmen. Zu tief sitzt anscheinend die Angst in vielen Menschen, es könne ein „Zuviel“ an Berührung und Zuwendung geben. Für Bartens ist das Unsinn und er plädiert dafür, endlich von der Idee abzukommen, kleine Kinder aus erzieherischen Gründen schreien zu lassen. Auch hier kann er mit Studien und Untersuchungen verschiedener Fachrichtungen aufwarten und seine These untermauern: zu viel Berührung geht eigentlich gar nicht. Menschen brauchen Berührung, um sich wohl zu fühlen, körperlich und seelisch wachsen und gedeihen zu können.
Und auch die Sache mit der Badewanne und dem Tee scheint nach der Lektüre einleuchtend, wenn Bartens  durch das Zitieren wissenschaftlicher Studien untermauert, dass eine warme Badewanne oder ein warmer Tee uns am ganzen Körper berühren – bis in die Seele!

Alexandra Hessler

Was trägt zum Glück bei? Freunde!

 

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen in den vergangenen Jahren haben ergeben, was ohnehin selbstverständlich erscheint: Freunde fördern das Wohlbefinden. Der Grund, weshalb die Forscher großen Aufwand betrieben, um eine auf den ersten Blick höchst triviale Frage zu beantworten: Sie wollten die umgekehrte Kausalität ausschließen – dass der augenfällige Zusammenhang zwischen Freundschaft und Glück also schon deshalb zustande kommt, weil glückliche Menschen leichter Kontakte schließen.

Freundschaften haben aber noch weitere positive Effekte. Sie halten gesund, mehr noch: Sie können das Leben des Einzelnen sogar um Jahre verlängern. Das zeigte sich kürzlich bei einer über zehn Jahre laufenden Studie mit fast 1500 australischen Männern und Frauen im Alter von mehr als 70 Jahren. Das Ergebnis: Ein starkes Netz aus Freunden erhöhte die Lebenserwartung der Probanden um bis zu 22 Prozent.

Dagegen blieb ein enger Kontakt mit den eigenen Kindern oder mit Verwandten ohne vergleichbare Effekte. Die Forscher führen das darauf zurück, dass Menschen sich ihre Freunde im Gegensatz zu ihren Verwandten selbst auswählen können.

Die positiven Effekte wirken allerdings vor allem dann, wenn die Beziehung zu Freunden nicht ausschließlich dem gegenseitigen Nutzen oder dem gemeinsamen Vergnügen dient. Glücks- und gesundheitsfördernd ist vor allem jene Form der Freundschaft, die der griechische Philosoph Aristoteles bereits vor über 2000 Jahren als „tugendhaft“ bezeichnete: ein vertrautes Miteinander in gegenseitiger Anteilnahme und Fürsorge. Im Idealfall trifft man sich häufig, mindestens einmal pro Woche.

Wie viele Freunde ein Mensch hat, ist dabei nicht wichtig, sondern dass er überhaupt vertraute Beziehungen pflegt.

aus: Susanne Paulsen, Niemand ist eine Insel. In: Glück. Wie das Leben gelingt. GEO Wissen. eBook Nr.1, Hamburg 2014

Hört auf zu arbeiten! Moment, Moment, Moment!

 

Zweitens: Die gute Arbeit ist vertraute, nützliche und produktive Arbeit. Aber sie lässt bei aller Professionalität, bei allem Können und bei all der guten Ausbildung unsere Augen nicht funkeln. Denn sie basiert in ihrem Kern auf einem Deal. Und dieser Deal heißt Arbeitskraft gegen Geld. Dennoch fühlt sich gute Arbeit nicht schlecht an. Wir sind schließlich erfahren darin, erledigen sie gut und zuverlässig, und sie bringt uns im Alltag viele Vorzüge und Annehmlichkeiten. Gute Arbeit wird vom System honoriert.

Was wir jedoch immer schmerzhafter merken, ist, dass die gute Arbeit nicht mehr wirklich zu unseren eigenständigen, komplexen und anspruchsvollen Persönlichkeiten und Bedürfnissen hier und heute passt. Nicht nur die miese Arbeit, auch die gute Arbeit laugt mit der Zeit aus, wenn auch auf einer höheren Ebene und im Rahmen eines komfortablen, materiell abgefederten Lebens. Sie basiert auf dem Höher-schneller-weiter-Anreiz und lässt uns ewig rennen, aber nie ankommen. Deswegen: Wir suchen eine Alternative dazu!

Drittens: Die Alternative, »mein Ding« zu machen, bedeutet nichts weiter, als zu versuchen, ohne Netz und doppelten Boden, also ohne sichernden Vertrag, auf eigene Faust im System eine Nische zu finden. IM System!

Der Antrieb zu dieser Entscheidung ist nicht zu kritisieren, nein, er ist zu begrüßen, zu loben, zu fördern: Diese Menschen wollen endlich glücklich sein! Und sie haben vollkommen recht, wenn sie der Meinung sind, dass niemand glücklich und erfüllt leben kann, ohne eine alltägliche Aufgabe zu haben, in der sich die individuelle Persönlichkeit ausdrücken kann, die einem liegt, die die höchst eigenen Talente und Fähigkeiten möglichst umfassend zur Wirkung kommen lässt. Den Stolz auf das eigene Werk kompromisslos zu verfolgen, sich zu fragen: »Was treibt mich an?« – das ist die richtige Spur.“


Sounds like London

„When the likes of Desmond Dekker, the Upsetters and the Pioneers were making it onto Top of the Pops, so too were the Temptations, the Supremes, Johnny Johnson and the Bandwagon, and Marvin Gaye. Then, once the 1970s rolled around, Shaft ushered in blaxploitation, James Brown’sSex Machine kick-started a funk revolution, and imported TV shows, building on the success of I Spy and Julia, stopped ignoring African-American actors. When it came to images of cool black people – most of whom weren’t Caribbean, let alone Jamaican – this generation of British youth were spoiled for choice. Visuals played a major role. The attitude in the Jamaican music industry that photography was an unnecessary expense meant that few Londoners had any idea what reggae stars looked like, whereas black American music stars always put effort into presenting an image.

For boys and girls alike, hair styles and hats assumed holy-grail status. By the time these kids hit the party circuit, many were looking beyond the sound-system dances. Once roots and culture took over, that disconnect increased all the more. With little apparent room for compromise, this new reggae was all about Jamaica, indeed all about one aspect of being Jamaican – sufferation.

So, while there’s no disputing how musically creative and spiritually directional the magical era of roots reggae proved to be, subject-wise reggae was turning in on itself. Faced with a wide array of black cultural templates, London teenagers did not unequivocally embrace it. Yes, of course they liked reggae, but not this reggae, or not to any great extent.“

aus: Lloyd Bradley, Sounds like London.100 Years of Black Music in the Capital (2013).

Übersetzung:

„Als Desmond Dekker, die Upsetters und die Pioneers in den Top of the Pops auftauchten, waren es auch die Temptations, die Supremes, Johnny Johnson and the Bandwagon und Marvin Gaye. In den 1970er Jahren führte Shaft den Blaxploitation ein, James Browns Sex Machine löste eine Funk-Revolution aus, und importierte Fernsehserien, die auf dem Erfolg von I Spy und Julia aufbauten, ignorierten keine afroamerikanischen Schauspieler mehr. Wenn es um Bilder von coolen Schwarzen ging – von denen die meisten nicht aus der Karibik, geschweige denn aus Jamaika stammten – hatte diese Generation der britischen Jugend die Qual der Wahl. Das Visuelle spielte eine große Rolle. Die Einstellung der jamaikanischen Musikindustrie, dass Fotografieren eine unnötige Ausgabe sei, führte dazu, dass nur wenige Londoner eine Vorstellung davon hatten, wie Reggae-Stars aussahen, während schwarze amerikanische Musikstars sich immer Mühe gaben, ein Image zu präsentieren.
Sowohl für Jungen als auch für Mädchen wurden Frisuren und Hüte zum heiligen Gral. Als diese Kids auf den Partys auftauchten, blickten viele nicht mehr nur auf die Tänze des Soundsystems. Als Roots und Kultur die Oberhand gewannen, verstärkte sich diese Trennung noch mehr. Mit wenig Spielraum für Kompromisse drehte sich bei diesem neuen Reggae alles um Jamaika, und zwar um einen einzigen Aspekt des Jamaika-Seins – das Leiden.
Während man also nicht bestreiten kann, wie musikalisch kreativ und spirituell richtungsweisend die magische Ära des Roots Reggae war, drehte sich der Reggae thematisch um sich selbst. Konfrontiert mit einer breiten Palette schwarzer kultureller Vorlagen, nahmen die Londoner Teenager diese nicht eindeutig an. Ja, natürlich mochten sie Reggae, aber nicht diesen Reggae, oder nicht in großem Umfang.“

aus: Lloyd Bradley, Sounds like London.100 Years of Black Music in the Capital (2013).

Eine Gemüsekulturgeschichte

Tja, um welches Gemüse könnte es sich hier handeln..?

Marc Lescarbot, ein Anwalt, der mehrere Monate in Akadien verbringt, veröffentlicht eine Geschichte von Neufrankreich, Histoire de la Nouvelle-France, die großen Anklang findet. Auch er beschreibt die Sitten und Gebräuche der «Wilden» dieser nördlichen Regionen, die damals noch weniger bekannt sind als die Einwohner Südamerikas: „Die Indianer geben ihr den weich klingenden Namen chiquebi, erklärt er, doch er wolle sie canada nennen, zu Ehren ihres Ursprungslandes. Aber, ach !, in Frankreich werden sie «Walnüsse der Erde», Trüffeln oder gar Kartoffeln beziehungsweise kanadische Artischocken getauft.

Diese wenigen Beispiele zeigen, wie schwer man sich mit der Klassifizierung der Pflanze tut. Ihre Herkunft erzeugt kaum weniger Verwirrung. In der Zwischenzeit kommt die Wurzel herum und breitet sich aus. Sie gelangt nach Holland und Deutschland und wird im Jahr 1616 in den Gärten des Kardinals Farnese bei Rom angebaut. Der Italiener Fabio Colonna identifiziert sie zwar als helianthus, siedelt ihre Herkunft jedoch in Peru an, wie die der Kartoffel. Ein weiterer Botaniker, der Schweizer Gaspard Bauhin, ordnet sie wohl den Kanadiern zu, verwandelt sie jedoch in ein chrysanthemum. Dieses seltsame Ding – unförmig, runzlig, ins Lila gehend – hat weder einen festen Namen noch eine klar umrissene Herkunft.“

Nein, es ist nicht die im Titel vorkommende Artischocke, vielmehr geht es um den…? Wer mehr zur Geschichte dieses Gemüses und anderer, bekannter oder in Vergessenheit geratener Gemüsesorten lesen möchte, begebe sich in die „Gemüsekulturgeschichte“ von Evelyne Bloch-Dano, Die Sehnsucht im Herzen der Artischocke, 2013 bei Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag München erschienen.

 Wer auf den „Geschmack“ gekommen ist, findet in den beiden folgenden Büchern wertvolle Ergänzungen:

  • Paul Freedman (Hg.): Essen. Eine Kulturgeschichte des Geschmacks. Darmstadt 2007
  • Martina Tschirner: Pastinaken & Co. Von fast vergessenen und längst bekannten Gemüsesorten. Neustadt an der Weinstraße 2008.

Was trägt zum Glück bei? Freunde!

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen in den vergangenen Jahren haben ergeben, was ohnehin selbstverständlich erscheint: Freunde fördern das Wohlbefinden. Der Grund, weshalb die Forscher großen Aufwand betrieben, um eine auf den ersten Blick höchst triviale Frage zu beantworten: Sie wollten die umgekehrte Kausalität ausschließen – dass der augenfällige Zusammenhang zwischen Freundschaft und Glück also schon deshalb zustande kommt, weil glückliche Menschen leichter Kontakte schließen.

Freundschaften haben aber noch weitere positive Effekte. Sie halten gesund, mehr noch: Sie können das Leben des Einzelnen sogar um Jahre verlängern. Das zeigte sich kürzlich bei einer über zehn Jahre laufenden Studie mit fast 1500 australischen Männern und Frauen im Alter von mehr als 70 Jahren. Das Ergebnis: Ein starkes Netz aus Freunden erhöhte die Lebenserwartung der Probanden um bis zu 22 Prozent.

Dagegen blieb ein enger Kontakt mit den eigenen Kindern oder mit Verwandten ohne vergleichbare Effekte.

Die Forscher führen das darauf zurück, dass Menschen sich ihre Freunde im Gegensatz zu ihren Verwandten selbst auswählen können.

Die positiven Effekte wirken allerdings vor allem dann, wenn die Beziehung zu Freunden nicht ausschließlich dem gegenseitigen Nutzen oder dem gemeinsamen Vergnügen dient. Glücks- und gesundheitsfördernd ist vor allem jene Form der Freundschaft, die der griechische Philosoph Aristoteles bereits vor über 2000 Jahren als „tugendhaft“ bezeichnete: ein vertrautes Miteinander in gegenseitiger Anteilnahme und Fürsorge. Im Idealfall trifft man sich häufig, mindestens einmal pro Woche.

Wie viele Freunde ein Mensch hat, ist dabei nicht wichtig, sondern dass er überhaupt vertraute Beziehungen pflegt.

aus: Niemand ist eine Insel. Von Susanne Paulsen. In: Glück. Wie das Leben gelingt. GEO Wissen. eBook Nr.1, Hamburg 2014

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