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Beiträge zur Musik und mein Senf zu anderen Dingen

Under Control

Von vielen Künstlern hört man, wie sie sich auf ihre Bühnenauftritte vorbereiten. Manche meditieren oder beten dafür, dass ihr Auftritt gut gelingt. Andere sammeln sich geistig und konzentrieren sich, bevor der Vorhang aufgeht, in aller Stille. In Tina Turners Leben ging es jedoch ganz anders zu. Sie lebte in ständiger Angst davor, was Ike wohl mit ihr vor oder nach dem Konzert machen würde. Die Zeit, in der sie auf der Bühne stand, das waren die einzigen Stunden, in denen sie sich wirklich in Sicherheit wusste.

Die Realität sah so aus, dass Ike Tina vor den Konzerten häufig verprügelte und dann von ihr erwartete, dass sie den Abend über singen würde, als wäre nichts geschehen. Nun ja, man könnte rational damit argumentieren, dass es zumindest ein Konzert gewesen sein muss, das sich für Tina auszahlte, bei dem sie sicherlich selbst viel Geld verdiente. Man würde ganz sicher davon ausgehen, dass dem so war – und sie sich einfach etwas Geld zusammensparen konnte, um sich dann letztendlich ihre Freiheit zu erkaufen.

Aber in Wahrheit bekam Tina nie etwas von dem Geld zu sehen. Von ihr wurde erwartet, dass sie Ike von vorne bis hinten bediente, mit ihm schlief und sich von ihm verprügeln ließ, wann immer er dies für angebracht hielt, und dabei – so als wäre alles in Ordnung – den glamourösen und energiegeladenen Star der Show spielte. Doch sie bekam keinen Cent für ihre Arbeit, nichts, was sie für ihre psychischen und physischen Qualen entschädigt hätte. Ike hatte ihr Leben und ihr Umfeld total unter Kontrolle. Sie durfte noch nicht einmal eigene Freunde haben. Auf diese Weise machte er jede Flucht für sie unmöglich. Er sorgte dafür, dass sie keinen Ort hatte, an den sie hätte fliehen können.“

aus: Mark Bego, Tina Turner. Die Biografie, 2009

Autor Mark Bego hat Tina Turner, die 2023 starb, häufig getroffen und interviewt. Das bewegte Leben hat er in einem spannenden Buch zusammengefasst, das von der ersten bis zur letzten Zeile zu fesseln weiß.

Kennt Ihr (noch)… Big Star?

Abgesehen von einem kleinen Kreis von Rockkritikern hörten nur wenige Menschen Big Star während ihrer Existenz, da ihre Alben schlecht beworben und vertrieben wurden. Aber in der Folgezeit wurden sie zu Vorbildern des aufkommenden Power-Pop-Genres; die Rarität ihrer Alben machte sie für das Kultpublikum bewundernswerter als besser verkaufende Zeitgenossen.

Big Star wurde 1974 in Memphis gegründet. In Anlehnung an das Songwriter-Team der Beatles, John Lennon und Paul McCartney, stammen die meisten Songs der Band aus der Feder von Alex Chilton und Chris Bell. Chilton, der als die gefühlvolle Stimme des Hits „The Letter“ (1967) der Box Tops berühmt geworden war, glaubte, dass Big Star seinem Namen gerecht werden könnte. Neben den Beatles erinnerte Big Star an die Byrds, und die Gitarren sprachen manchmal mit einem Country-Rock-Akzent.

Ihre Hardrock-Songs und ihre Balladen hätten sich gut im Radio angefühlt, aber sie wurden auf keiner der Frequenzen gespielt. Big Star wurde zu dem nicht unüblichen Paradoxon einer unpopulären Popgruppe. Sie lösten sich 1974 auf.

Ende der 1970er Jahre und mit der posthumen Veröffentlichung ihres dritten Albums, wurde der melodiöse Rock von Big Star zur Inspiration für eine Reihe von Power-Pop-Bands sowie für aufstrebende alternative Bands wie R.E.M. und die Replacements, die sie mit dem Song „Alex Chilton“ aus ihrem Album „Pleased to Meet Me“ (1987) ehrten. Bell starb 1978 bei einem Autounfall, gerade als der Big Star-Kult zu wachsen begann. Chilton genoss eine vielseitige Karriere als Solokünstler und Produzent, bevor er Big Star 1993 mit dem ursprünglichen Schlagzeuger Jody Stephens und Mitgliedern der Alternative-Rock-Band Band The Posies neu belebte. Er starb 2010 an Herzproblemen.

Kennt Ihr (noch)… The Ides Of March?

The Ides of March ist eine US-amerikanische Jazz-Rock-Band, die 1970 mit dem Song „Vehicle“ einen großen US-amerikanischen und einen kleinen britischen Hit hatte. Nachdem die Band 1973 eine Pause eingelegt hatte, kehrte sie 1990 in ihrer ursprünglichen Besetzung zurück und ist seitdem aktiv.

Nachdem die Band einen Plattenvertrag mit Warner Bros. Records im Jahr 1970 abschloss, veröffentlichte die Band den Titel „Vehicle“, der angeblich die am schnellsten verkaufte Single in der Geschichte von Warner wurde. Vierzehn Sekunden des fertigen Masterbandes von „Vehicle“ (hauptsächlich das Gitarrensolo) wurden versehentlich im Aufnahmestudio gelöscht. Der fehlende Teil wurde aus einer zuvor verworfenen Aufnahme zusammengefügt.

Der Song erreichte Platz 2 der Billboard Hot 100, verkaufte sich über eine Million Mal und wurde im November 1972 mit einer goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Das folgende Album Vehicle erreichte landesweit Platz 55.

Seit 2018 ist die Band weiterhin auf Tournee, sowohl alleine als auch im Rahmen der „Cornerstones of Rock“-Reihe, bei der sie als Hausband für eine Reihe von Bands aus dem Chicago der 1960er Jahre fungiert. 2019 veröffentlichen The Ides of March anlässlich ihres 55-jährigen Bestehens ein Album sowohl auf Vinyl als auch auf CD. Die Aufnahme trägt den Titel „Play On“ und wurde auf dem Label Ides of March Records veröffentlicht.

Am 23. September 2021 feierten The Ides of March ihr 57-jähriges Bestehen und ihre Rückkehr auf Tournee nach der COVID-19-Pandemie mit einem Konzert im Potawatomi Hotel and Casino in Milwaukee. Mit weit über 4.000 gemeinsamen Auftritten seit 1964 und als musikalische „Organisation“, die immer die vier Originalmitglieder umfasste, wurden The Ides of March als „The Longest Touring Original Band in Musical History“ bezeichnet.

 

 

Zum Jahresbeginn… ein Gedicht:

Ein Nagel

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.

Kurz, eines Tages entfernten sie sich
und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz

So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.

Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!

aus: Joachim Ringelnatz, Ich bin so knallvergnügt erwacht. Die besten Gedichte, marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013

Bildquelle: www.ringelnatz.net

Anspieltip: Genesis – One for The Vine

Den Text könnte man auch auf den Despoten und Kriegstreiber Putin beziehen. Songzeilen, die leider wohl immer wieder aktuell sein werden.

Buchtipp: Ali Hazelwood – Das irrationale Vorkommnis der Liebe

Ali Hazelwood hat eine nüchterne und zugleich witzige Art zu schreiben. Mit Frauenpower, etwas Humor und Wissenschaftlichkeit schreibt sie aus der Sicht der Protagonistin Bee, die es immer wieder schafft, sich Dinge einzureden, sie schlecht- oder auch zu zerreden. Ihre „Heldin“ ist Marie Curie, auf die immer wieder Bezug genommen wird.

Neben Bee ist es vor allem ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin Rocio, die leicht makaber, aber umso cooler und auf ihre Art sehr erfrischend für die Geschichte ist. Auch der wissenschaftliche Bezug macht den Roman interessant, geht es unter anderem auch um Themen wie Frauen in MINT Fächern oder problematische Testverfahren, die zu absolvieren sind und die für viele nicht zugänglich sind, weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen.

Alles in allem, macht es Spaß, das Buch zu lesen, es gibt humorvolle Dialoge und Begebenheiten, die einen immer wieder mal schmunzeln lassen.

»Übrigens kann man von Gürteltieren Lepra kriegen.« Ich reiße mich vom Flugzeugfenster los und werfe Rocío, meiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin, einen skeptischen Blick zu. »Wirklich?« […]

»Würde ich dich je anlügen?« »Letzte Woche hast du mir erzählt, Stephen King würde ein Spin-off von Pu der Bär schreiben.« Und ich habe ihr geglaubt. Ebenso wie ich ihr auch geglaubt habe, dass Lady Gaga eine bekannte Satanistin ist oder dass Badmintonschläger aus menschlichen Knochen und Gedärmen hergestellt werden. Düstere Gothic-Misanthropie und grusliger, todernster Sarkasmus sind ihre Markenzeichen, und ich sollte inzwischen gelernt haben, ihre Behauptungen nicht ernst zu nehmen. […]

»Streichle ruhig die leprakranken Gürteltiere und stirb.« Sie hat so einen Knall. Ich liebe sie. […] Ich verkneife mir ein Lächeln und wende mich wieder zum Fenster. 1905 beschloss Dr. Curie, mithilfe ihres Nobelpreisgelds ihre erste wissenschaftliche Mitarbeiterin einzustellen. Ob sie wohl auch mit einem leicht furchterregenden, Cthulhu anbetenden Emo-Mädchen zusammengearbeitet hat? […]

Eigentlich bin ich kein sonderlich geheimnisvoller Mensch, hauptsächlich aus Faulheit: Es schiene mir Verschwendung kognitiver Energien, den Überblick über all die Lügen und Halbwahrheiten zu behalten. Doch es gibt ein einziges großes Geheimnis, das ich hüte. Eine Information, die ich nie mit jemandem geteilt habe – nicht einmal mit meiner Schwester.

Nur damit ich nicht falsch verstanden werde, ich würde Reike mein Leben anvertrauen, doch zugleich kenne ich sie gut genug, um mir die Szene genau vorstellen zu können: Sie trägt ein leichtes Sommerkleid und flirtet mit einem schottischen Schafhirten, den sie in einer Trattoria an der Amalfiküste kennengelernt hat. Die beiden beschließen, eben jene halluzinogenen Pilze zu nehmen, die sie bei einem belarussischen Bauern gekauft haben, und im Drogenrausch plaudert meine Schwester aus, was ich ihr streng verboten habe, jemals jemandem zu erzählen: Ihre Zwillingsschwester Bee hat einen der bekanntesten, kontroversesten akademischen Twitter-Accounts.

Dummerweise ist der Cousin des schottischen Hirten ein verkappter Aktivist für Männerrechte, der mir ein totes Opossum schickt, mich bei seinen durchgeknallten Freunden verpetzt, worauf ich gefeuert werde. Nein, danke. Dafür liebe ich meinen Job (und Opossums) zu sehr.

Aufbau Verlage 2022, 448 Seiten
ISBN-13: 9783841231024

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